Fleischsommelier, Brotsommelier, Wassersommelier, Biersommelier, Wurst-Schinken-Sommelier, Gewürz-Sommelier, Zigarrensommelier, Kaffee-Sommelier und Käsesommelier. Zu jeder dieser edel klingenden Berufsbezeichnung findet sich in Deutschland jemand, der sie stolz trägt. Wieso ist das so?
Sommelier ist keine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung. Jeder darf sich Sommelier nennen und jeder darf diese Bezeichnung um einzelne Kategorien erweitern. Manchmal kann er sich diese Fantasie-Kombination dann sogar schützen lassen (teilweise allerdings nur als Wort-Bildmarken, also Logos etc.), wie etwa die confructa medien GmbH mit ihrem Fruchtsaft-Sommelier. Die bayerische Fleischerinnung ließ sich sogar den reinen Begriff ‚Fleischsommelier‘ schützen.
Der Hintergrund ist fast immer der gleiche: es geht darum, Schulungen und Seminare zu verkaufen, deren erfolgreicher Besuch zum Tragen des jeweiligen Titels berechtigt. Die klassischen Somms sind an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig, bieten sie doch selber seit einigen Jahren in vielen Ihrer berufsständischen Ausbildungseinrichtungen eine Fortbildung zum Sake-Sommelier an.
Die Ausbildung zum ‚echten‘ Sommelier dauert theoretisch vier Wochen. Das schafft aber nur, wer über erhebliches Vorwissen verfügt und in diesen vier Wochen sein Lernprogramm nur zum schlafen oder essen unterbricht. Realistisch sind drei Monate in Vollzeit oder sechs Monate berufsbegleitend. Die Ausbildungsgänge zu den diversen Fantasie-Sommeliers, wenn wir sie so nennen wollen, sind teils deutlich kürzer. Den Bier-Sommelier macht man in zehn Tagen. Die drei Module der Fruchtsaft-Sommelier-Ausbildung dauern jeweils drei Tage. Dafür zahlt der künftige Smoothie-Mundschenk dann über 3000 Euro.
Es gibt auch vergleichbar komplexe Ausbildungsgänge. Brot-Sommelier darf sich nennen, wer innerhalb eines Jahres acht je dreitägige Präsenzmodule an der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks absolviert und zusätzlich Zeit für die Prüfungsvorbereitung aufgewendet hat. Die Prüfung enthält sogar eine Verkostung. In dieser gilt es auch ‚Brotfehler‘ zu erkennen.
Wie unterschiedlich der Wert der verschiedenen Titel ist, zeigt auch ein Blick auf die Zugangsvorraussetzungen. Saft-Somm kann jeder werden. Angehende Brot- oder Fleisch-Sommeliers müssen in der Regel einen Meisterbrief als Bäcker beziehungsweise Metzger vorweisen. Die Fortbildungen finden an den Innungs-Akademien statt. Hier soll offensichtlich ein Versäumnis der Meister-Ausbildung nachgeholt werden. Die Handwerksausbildung kümmert sich vorrangig um die Produktion. Präsentation, Verkauf und ‚Food Pairing‘ sind nicht Teil des Lehrplans. Insofern bieten diese Ausbildungen sowohl dem Teilnehmer, als auch dessen späteren Kunden einen Mehrwert.
Doch warum muss das ganze Sommelier heißen? Es gibt schließlich Bäckerei- und Fleischerei-Fachverkäufer? Zwar gibt es auch im Wein den Unterschied zwischen Fachberater/-verkäufer und Sommelier, doch ist der recht einfach zu definieren. Der Verkäufer arbeitet am ‚Kunden‘, der Somm am ‚Gast‘. Man könnte auch sagen, die Kunden des einen stehen, die des anderen sitzen. Das ist bei Fleisch- und Brot-Sommeliers eher nicht der Fall. Dort ist der Sommelier eine Art Handwerker mit Beratungskompetenz.
Nicht alle Sommeliers setzen sich durch. So hat die Bäckerinnung neben der Fortbildung zum Brot-Sommelier auch eine zum Schokoladen-Sommelier im Angebot gehabt. Diese scheint aber wieder aus dem Programm verschwunden zu sein. Vermutlich war die Abgrenzung zum Pâtissier nicht scharf genug.
Aus Sicht des klassischen, in der Gastronomie tätigen Sommeliers wäre es wünschenswert, gäbe es eine strikte Trennung zwischen dem Sommelier und dem Fachverkäufer. Doch es sieht eher so aus, als würde die Titelinflation immer tollere Blüten treiben. Dieser Tage vermeldete die Webseite des Deutschen Patent- und Markenamtes den Eingang einer Markenanmeldung für den Begriff ‚Holzkohle-Sommelier‘! Wer soll die bloß essen?
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